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      Prozess-Fortsetzung gegen den suspendierten Polizeiinspekteur Andreas R.

      Prozess-Fortsetzung gegen den suspendierten Polizeiinspekteur Andreas R. Er steht seit Freitag vor Gericht wegen des Vorwurfs der sexuellen Nötigung. Am zweiten Verhandlungstag warfen die Nebenkläger dem 49-jährigen die Verunglimpfung und Diffamierung der 34-jährigen Anzeigeerstatterin vor. Zum Prozessauftakt am Freitag hatte die Verteidigung des ehemals ranghöchsten Polizisten im Land in einer Erklärung die Frau als Lügnerin dargestellt. Außerdem hat sich das Gericht am Dienstag mit einem Videotelefonat befasst, das die Beamtin heimlich per Smartphone mitgeschnitten hat. Der Inspekteur hatte die Frau einige Tage nach dem Kneipenbesuch per Skype kontaktiert und dabei auch über den Abend gesprochen. Laut Staatsanwaltschaft wird in dem akustischen Mitschnitt die Tatmotivation deutlich.

       

      Stuttgart – Tag zwei im Prozess um den höchstrangigen Polizisten Baden-Württembergs. Dem suspendierten Inspekteur der Polizei (IdP) wird vorgeworfen, eine Polizistin sexuell genötigt zu haben. Küsse und Zärtlichkeiten haben beide in einer Bar unter einem VfB-Plakat ausgetauscht. Das zeigt eine Videoaufnahme, die am Dienstag im Stuttgarter Landgericht abgespielt wurde. Das Entscheidende zeigt sie aber nicht. Was geschah in den vier Minuten, in denen die beiden zwischendurch die Bar verlassen hatten?

      Schon beim Prozessauftakt am Freitag hatte das Gericht zwei Stunden des Videos abgespielt, nun folgte Stunde drei. Denn so lange verweilten der IdP und die Polizisten in „The Corner Bar“ im Stuttgarter Stadtteil Bad Cannstatt. Es inzwischen 3 Uhr morgens an diesem 13. November 2021. Am Tresen im Vordergrund herrscht gute Stimmung. Männer und Frauen um die 30 trinken Bier und Schnaps, sie rauchen und sie tanzen offensichtlich zu einer Musik, die das Video allerdings nicht wiedergibt.

      Ganz anders die Stimmung im Hintergrund. Mit dem Rücken zur Wand sitzen der IdP und die Polizistin nebeneinander an einem einem erhöhten Tisch direkt neben der Eingangstür, Gesicht Richtung Videokamera. Über ihnen hängt eingerahmt ein Bild mit dem Emblem des VfB Stuttgart. Alles ist in rosa Licht getaucht.

      Diese Stunde drei beginnt, wie die Stunden zuvor geendet haben. Die beiden tauschen Küsse und Zärtlichkeiten aus, bis der IdP aufsteht, etwas zum Barkeeper sagt und dann mit der Polizistin die Kneipe verlässt. Vier Minuten später kehren sie zurück an ihre Plätze.

      Der gesamte Gerichtsprozess dreht sich um die Frage, was genau in diese vier Minuten passiert ist. Soviel scheint klar, das sagen beide: Er urinierte im Freien mit halb erigiertem Glied, sie hielt dieses. Strittig ist aber, ob er ihre Hand dorthin führte, oder ob die Initiative von ihr selbst ausgegangen war.

      Entsprechend gegensätzlich interpretieren die Rechtsbeistände des IdP und der Polizistin, die im Prozess als Nebenklägerin auftritt, das Gesehene. Nach den vier Minuten zeige das Video keine Situation, in der die Polizistin in der Bar geschockt, angewurzelt, beschämt oder ängstlich wirke, erklärte Ricarda Land, Münchener Anwältin des IdP. Im Gegenteil: „Nach dem für die Anzeigeerstatterin so schlimmen Erlebnis außerhalb der Bar zieht sie ihn an sich, tätschelt ihn, küsst ihn“, erklärt Lang.

      Holger Rohne, Anwalt der Polizisten, sieht das gänzlich anders. „Alles, was wir bis zum Verlassen des Corners gesehen haben, ging von ihm aus. Die Initiative zum Küssen ging nicht ein einziges Mal von der Nebenklägerin aus“, betont er. „Sie wirkt in der Folge eher widerstandslos und mit wenig Körperspannung.“ Tatsächlich stützt die Polizistin häufig den Kopf auf eine Hand manchmal auf beide Fäuste, streicht sich die Haare mit beiden Händen aus dem Gesicht, lehnt sich an die Schulter des IdP. All das deute darauf hin, dass sie alkoholisiert sei, oder auch „durch“, wie Anwalt Rohne beschreibt.

      Nur weil sie sich nicht aktiv gewehrt habe, habe der IdP seine Mandantin dennoch genötigt, so Rohne. Denn eine Reform des Strafrechts habe ja genau das zum Ziel gehabt: nicht das Opfer müsse erklären, warum sie die Situation nicht beendet habe. Der Täter müsse sich dafür rechtfertigen, warum er die Situation herbeigeführt habe. Darum gehe es hier, nämlich um entscheidende berufliche Nachteile für sie. „Das liegt auf der Hand“, so Rohne. „Er ist der ranghöchste Polizei“, entscheide zudem bei ihrer Beförderung mit.

      Meist konzentriert und versteinert verfolgte der IdP den Videomitschnitt von ihm und der Polizistin. Seine Frau, die anfangs noch neben ihm saß, hat das Video vom Zuschauerraum aus verfolgt – mit ähnlich stoischer Haltung wie ihr Mann.

      In der Mittagspause verteilt Anwalt Wohne eine Erklärung an die Presse, eine Art Antwort auf ein ähnliches Vorgehen der Anwälte des IdP vom vergangenen Freitag. Sie hatten eine Erklärung verteilt, in der sie die Motive und die Persönlichkeit der Polizistin in Frage stellen. So soll die Frau Anfang 30 etwa Affären mit anderen höheren Polizeibeamten geführt haben, die deutlich älter sind als sie.

      Die Verteidigung setze also auf eine Diffamierung der jungen Beamtin in den Medien, heißt es in Rohnes Erklärung. Seine rechtliche Bewertung: „Ich bin sicher, die Staatsanwaltschaft wird hier ermitteln. Eine junge Polizeibeamtin wird mit falschen Darstellungen in den Dreck gezogen und diffamiert.“ Sie dagegen wolle das Verfahren sauber und rechtssicher führen. Mit einem fairen und sauberen Verfahren habe die Verunglimpfung der Polizistin durch die Anwälte der Angeklagten nichts zu tun. Es liege auf der Hand, dass die Medien instrumentalisiert werden sollen – und damit auch das Gericht, vor allem die Schöffen. Denn die Laienrichter lesen schließlich auch die Berichte.

       

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